Zum Basler Regierungspräsidium: Zusammenbringen

Nach den Herbstferien wählen die Baslerinnen und Basler eine neue Regierung. Sie entscheiden zum einen über die künftige politische Ausrichtung des Kantons. Umfragen zufolge liegt ein Wechsel hin zu einer bürgerlich-liberalen Politik in der Luft. Erreicht werden kann dies jedoch nur, wenn sich CVP, FDP, LDP und SVP weiterhin geschlossen für alle vier Kandidaten ihrer Parteien engagieren.

Führung wahrnehmen. Davon unabhängig geht es zum anderen um die Rolle des direkt vom Volk gewählten Regierungspräsidenten. Dieses Amt, ein Unikum auf Kantonsebene, ist vor zwei Legislaturperioden vor allem deshalb geschaffen worden, weil bei uns die kantonalen Behörden auch für die Stadt Basel zuständig sind. Guy Morin als erster Amtsträger hatte die nicht einfache Aufgabe, die neue Funktion auszufüllen. Nach seinem Rücktritt wird ab Februar 2017 eine neue Regierungspräsidentin oder ein neuer Regierungspräsident das Amt weiterzuentwickeln haben. Natürlich kann man den «Stapi» klein-, blöd- oder unnötigreden – oder aber, man macht daraus, was sich das Stimmvolk als Verfassungsgeber vorgestellt hat.

Weder Ministerpräsident mit Richtlinienkompetenz noch Grüssaugust mit Krone, ist es die Hauptaufgabe des Regierungspräsidenten, zusammenzubringen. Das beginnt erstens mit dem Regierungskollegium. Unbesehen der politischen Inhalte der aktuellen und der neuen Regierung, die man teilt oder nicht, funktioniert der Kanton operativ zumeist solide. Darüber hinaus indes mangelt es ihm an strategischer Führung. So hält sich die heutige Bedeutung des vierjährigen Legislaturplans, als zentrale Grundlage der politischen Planung angedacht, bei Lichte betrachtet in engen Grenzen. Der Regierungspräsident muss den Gesamt­regierungsrat dazu bringen, die strategische Führungsaufgabe stärker wahrzunehmen.

Als Liberaler widerstrebt mir der grosse Plan, wie Basel-Stadt in den 2020er-Jahren exakt auszusehen hat. Doch auf der mittelfristigen Ebene gibt es deutlich Luft nach oben: fünf bis zehn für den Kanton wichtige, konkrete und messbare Ziele, auf die sich der Regierungsrat proaktiv und nicht allein reaktiv zusammenrauft. Und an denen er sich als Kollegium messen lässt. Ansonsten droht der Kanton seine heute ausgezeichnete Ausgangsposition – vom strukturellen Hoch unserer Leitindustrie bis zum allgemeinen Wanderungstrend zurück in die ­Kernstädte – im Pulverdampf der ­Alltagspolitik zu verspielen.

Aufgaben bündeln. Für diese Arbeit hat der Regierungspräsident die Grundlagen zu ­liefern. Die Kantons- und Stadtentwicklung als Strategieabteilung des Präsi­dialdepartements soll nicht primär originelle Ideen liefern, sondern bei den departementsübergreifenden Themen die Klammer schaffen – vom Umgang mit dem öffentlichen Raum über die Schaffung von Wohnraum und Arbeitsstellen bis hin zur Sicherheit im umfassenden Sinne. Mit anderen Worten müssen zweitens das Präsidial- und die Fachdepartemente aufeinander abgestimmt werden. Hierfür sind allfällige Doppel­spurigkeiten auszuräumen, indem die Struktur des Präsidialdepartements mit seinen zahlreichen Fach- und Planungsstellen aufgrund der Erfahrungen der ersten acht Jahre grundlegend überprüft wird. Mit gutem Beispiel gegen die Departementalisierung der Kantonsverwaltung vorangehend, könnte das Präsidialdepartement auf alle betrieblichen Funktionen, etwa die IT, die Beschaffung oder das Personalwesen, verzichten, die bereits andere Departemente für die gesamte Kantonsverwaltung anbieten.

Die Weiterentwicklung von Basel-Stadt, dem Nukleus einer prosperierenden Region, bedingt die enge Kooperation mit dem ganzen Umland. Wenn wir weiterhin Spitzenmedizin, Spitzenuniversität und Spitzenkultur anbieten wollen – und alles innert Gehdistanz vom Rathaus! –, wenn wir in Bern gehört werden und die Verkehrsinfrastruktur auf die ganze Region ausrichten wollen, dann braucht es kein Power­play des aktuell Stärkeren und die Betonung, dass Basel es «besser macht», sondern vielmehr ein echtes gegenseitiges Vertrauensverhältnis.

Über die konkrete Dossierführung der Fachdepartemente hinaus muss der Regierungspräsident drittens Basel-Stadt und seine Nachbarn nicht zuletzt atmosphärisch noch näher zusammenbringen. Erst auf Basis dessen kann das Standortmarketing erfolgreich wirken, der Regierungspräsident den Kanton «verkaufen» und – wenn es sein muss – mit dem Bundesrat reden, wie es die Basler Zeitung unlängst auf den Punkt zu bringen versucht hat.

Kulturdiskussion führen. Das grösste Dossier des Präsidialdepartements selbst ist die Kulturpolitik. Leider reduziert sich diese oft auf die politische Frage, wer im Grossen Rat das grössere Lobbying hat, oder die journalistische Frage, ob man selbst Cembalo spiele.

Vielmehr gilt es – viertens – ganz grundsätzlich Kultur und Öffentlichkeit, sprich Künstler und Steuerzahler, zusammenzubringen und zusammenzuhalten. Wer dabei die so nötige wie spannende Diskussion über die öffentliche Funktion, die politische Idee hinter der staatlichen Kulturunterstützung verdrängt und bar jeder Realität hinter jedem Fragezeichen ein bösartiges Sparprogramm vermutet, erweist der Sache einen Bärendienst.

Einerseits sollten wir – und auch unsere Kulturinstitutionen selbst –genug Grundvertrauen haben, dass diese die entsprechenden Antworten immer wieder neu zu entwickeln vermögen. Und andererseits wird auf die Dauer nur eine starke gesellschaftliche, intellektuelle und standortpolitische Bedeutung der Kultur deren Basler Etat in der aktuellen Höhe rechtfertigen.

Private machen lassen. Fünftens und vor allem steht der Regierungspräsident zusammen mit allen Regierungsmitgliedern an der Schnittstelle zwischen Verwaltung und Bevölkerung. Anliegen der Baslerinnen und Basler ernst zu nehmen, heisst dabei auch, keine falschen Erwartungen zu wecken: Nicht jeder Mitwirkungsprozess führt zur Einigkeit aller Betroffenen, nicht jedes Problem kann «wegmoderiert» werden. Oft kann in den Quartieren ein Mehr an Lösungen, Einvernehmen und Durchbrüchen entstehen, wenn man die privaten Organisationen einfach mal machen lässt – und der Impuls tatsächlich aus dem Quartier und nicht aus dem Rathaus kommt.

Letztlich steht das Präsidialdepartement im Auftrag der Öffentlichkeit und nicht umgekehrt. Wir brauchen keine Kampagnen für oder gegen solche und andere Lebens-, Ernährungs- und Familienmodelle. Die Regierungspräsidentin respektive der Regierungspräsident hat nicht die «Richtigen» und «Falschen» zu benennen und die Gesellschaft zu formen, sondern über alle Partikularinteressen hinaus die gesamte Bevölkerung zusammenzubringen und in ihrer Vielfalt zu vertreten.

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