Den Baslern lassen statt den Glarnern nehmen

Das lokalchauvinistische Klagen war und ist gross, als offiziell wurde, was seit Jahren bekannt ist: Basel-Stadt verliert bei den nationalen Wahlen 2023 einen von fünf Nationalratssitzen – ausgerechnet an Zürich! In der Tat ist besonders die langfristige Entwicklung bemerkenswert: Noch in den 1960er-Jahren, als der Nationalrat auf die heutigen 200 Mitglieder wuchs, schickte Basel-Stadt acht Nationalräte nach Bern. Mit anderen Worten hat sich das relative Gewicht des Kantons im Bund innert weniger Jahrzehnte glatt halbiert. Sogleich wurde dies als «ungerecht» kritisiert und auf die – starke und gestiegene – Wirtschaftskraft und Finanzpotenz von Basel verwiesen.

Verschiedene «Lösungen» machen nun die Runde. Unter anderem verlangt die sozialdemokratische Basler Ständerätin, dass Basel-Stadt als Entschädigung einen zweiten Ständeratssitz bekommt. Dies soll auf Kosten von Uri oder Glarus passieren, bezeichnenderweise zwei «arme» Kantone, die im interkantonalen Finanzausgleich zu den grössten Nehmern zählen, während Basel-Stadt zu den grössten Gebern gehört.

Auch wenn dieser Vorschlag wohl für das heimische Publikum gedacht ist und ein solcher Sitzabtausch realpolitisch illusorisch bleibt, kommt es nicht sonderlich freundeidgenössisch daher, anderen eines Ständerats berauben zu wollen. Vor allem aber mutet dieser Vorschlag nicht zuletzt aus linker Optik merkwürdig an.

Erstens ist es nun einmal eine weit verbreitete Regel, dass sich die Volksvertretung an der Volksgrösse bemisst. Basel-Stadt hat längere Zeit an Einwohnerinnen und Einwohnern verloren, gewinnt jüngst zwar wieder, wenn auch unterproportional zum rasanten Bevölkerungsanstieg der Gesamtschweiz. Dieser findet dort statt, wo es Platz gibt – zum Beispiel im Nachbarkanton: Basel-Landschaft schickt heute sieben statt wie in den 1960er-Jahren fünf Vertreter in den Nationalrat, was für die beiden Basel zusammen elf Sitze statt 13 macht und den relativen Bedeutungsverlust wiederum relativiert. Und noch undramatischer wird es, wenn man den Aargau betrachtet, der seine Sitze von 13 auf 16 erweiterte. Immerhin gehört auch dieser Kanton teils zum Grossraum Basel und ist ein Produktionsstandort der hiesigen Pharmaindustrie.

Kurzum: Betrachten wir unsere Region gesamthaft, dürfte die Nationalratsdeputation in den letzten Jahrzehnten kaum geschrumpft sein. Und es ist auch und gerade die Linke, die unser Land oft «grösser» denken will und gerne den «Kantönligeist» bemängelt.

Zweitens entbehrt nicht einer grossen Portion mutmasslich unbeabsichtigter Ironie, das politische mit dem wirtschaftlichen Gewicht verbinden zu wollen. Ansonsten getrauen sich nicht einmal die Libertärsten unter den Liberalen, das Zensuswahlrecht zu fordern, also das Stimmrecht mit der Finanzkraft zu verbinden. Aber ja, wie im nationalen Finanzausgleich sind es auch ansonsten oft die wenigen Vermögenden, die sich in Acht nehmen müssen, von den vielen anderen nicht ausgenommen zu werden. Die sogenannte 99-Prozent-Initiative schreit dieses Narrativ geradezu hinaus: Wir sind die grosse Mehrheit, nehmen wir es den wenigen Reichen weg! So rabiat springen im nationalen Finanzausgleich nicht einmal Uri und Glarus mit Basel-Stadt um …

Wollte man dieser «Reich, aber klein»-Falle entkommen, setzte man sich entweder dafür ein, dass mehr in den Kantonen und Regionen bleibt. Der linke Druck hin zu einer immer zentralistischeren Schweiz zielt eben in die exakt andere Richtung. Kaum eine Aufgabe, die in den letzten Jahrzehnten nicht dem Bund hat übertragen werden sollen – bis hin zum Kern des Föderalismus überhaupt: der Steuer- und der Finanzautonomie.

Oder man wird grösser, sorgt also für Bevölkerungswachstum. Das müsste, drittens, bedeuten, dass in Basel mehr gebaut werden könnte. Das ist besonders in einer Stadt anspruchsvoll, gemäss dem Gebot der Verdichtung aber ökologisch sinnvoller, als laufend neue Landschaften zu überbauen. Doch auch hier sorgt die linke Politik emsig für das Gegenteil. Mit immer strengeren – vermeintlichen – Mieterschutz-Initiativen werden die Investoren vergrault statt angezogen. Weniger und älterer Wohnraum lässt die Leute nicht zwingend abwandern, aber vor allem nicht zuwandern. Dabei wären es für viele attraktiv, in der Stadt zu wohnen, wie der Marktdruck, dem entgegengehalten statt nachgegeben wird, eindrücklich zeigt.

Basel könnte grösser werden und reicher bleiben. Wenn wir denn wollen.

Dieser Artikel erschien zuerst in der bz basel.

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