Natürlich stehen bei den Basler Regierungsratswahlen lokale Themen im Vordergrund. Es geht um die Wohnbaupolitik, die Schulstandorte oder den Verkehr in den Quartieren. Ebenso werden betriebliche Fragen diskutiert: Wer übernimmt die Führung des Justiz- und Sicherheitsdepartements, das vakant wird, wer die Verantwortung für das Präsidialdepartement, das noch immer Tritt sucht? Und doch geht es im Herbst auch um Nationales.
Die Basler Politik strahlt hinaus in die Schweiz. Sie muss es auch, mischt sich umgekehrt doch der Bund zunehmend in lokale Themen ein. Von der ausserfamiliären Kinderbetreuung über die Bauregulierung bis hin zum Gesundheitswesen massen sich die nationalen Behörden laufend mehr ursprünglich kantonale oder gar kommunale Kompetenzen an. Der kleinräumige Wettbewerb, oft als «Kantönligeist» verkannt statt als wichtigster Faktor des Erfolgsmodells Schweiz verstanden, wird nach und nach beschnitten.
Als Gegenbewegung versuchen die Kantonsregierungen, sich vermehrt gemeinsam zu engagieren. Statt dabei aber den Föderalismus zu stärken und für die Problemlösung in den Kantonen zu streiten, verabreden sie sich oft kartellistisch. Wenn etwa die Konferenz der Finanzdirektoren verkündet, sie wolle die gleiche automatische Einsicht in unsere Bankdaten, wie den deutschen Steuerbehörden in die Unterlagen von Deutschen zugestanden wird, ist dies weder finanziell noch demokratisch gerechtfertigt.
Demgegenüber dringender wäre es, die Allianz jener Kantone zu stärken, die im nationalen Finanzausgleich zu den sogenannten Geberkantonen zählen, darunter ganz vorne Basel-Stadt. Dass es der heutigen Basler Regierung nur ungenügend gelingt, die Interessen der Schweizer Vorreiter für Wirtschaftswachstum und Innovation einzubringen, kommt nicht von ungefähr. Wer zuhause der grossen Umverteilung das Wort redet – kaum ein anderer Kanton kennt eine so hohe Sozialquote und befreit so viele Menschen von der Steuerpflicht wie Basel-Stadt –, kann im Land nur bedingt auf die Solidarität unter Reichen zählen. Wir brauchen im Lobbying für Basel-Stadt denn auch keine neuen Stellen und zusätzlichen Strukturen, wie sie das Präsidialdepartement eben geschaffen hat, sondern einen besseren Draht zu unseren Verbündeten.
Die Schweiz zu begreifen, ist für Basel aber nicht nur im täglichen Feilschen um die eigene Sache von zentraler Bedeutung. Wohl noch wichtiger ist das Verständnis, was die Schweiz ausgezeichnet hat und wieder auszeichnen muss. Ein nachvollziehbares Rechtssystem, das Bekenntnis zum Wettbewerb, der Vorrang gegenseitiger Hilfe vor staatlicher Zwangssolidarität, Masshalten bei der Abgabequote, die Nähe von Behörden und Bevölkerung – diese Prinzipien einer freiheitlichen Gesellschaftsordnung zeichnen ein erfolgreiches Land aus. Sind diese Trümpfe einmal verspielt, wird der Weg zurück zur Freiheit steinig.
In Italien übersteigt die Verschuldung die Wirtschaftsleistung eines ganzen Jahres, in Spanien ist jeder zweite Jugendliche ohne Job, in Griechenland der Hunger keine Randerscheinung mehr. Dass in dieser Wirtschafts- und Schuldenmisere niemand den Mut aufbringt, mit der Illusion des grenzenlosen Wohlfahrtsstaats zu brechen, ist zu bedauern und gleichzeitig zu verstehen. Um der Abwahl zu entgehen, flüchten sich europäische Politiker in immer gigantischere «Rettungsschirme» und versuchen, mit weiteren Milliarden, ja Billionen gleichsam das Feuer mit neuer Kohle zu löschen.
Dass die Schweiz davon bisher verschont bleibt, ist so erfreulich wie gefährlich. Wer etwas gleichgültig meint, wir würden vielleicht vieles falsch, aber doch richtiger als die anderen machen, oder die Schweiz und Basel als selbstverständliche Insel der Glückseligen betrachtet, hat mit dem Abstieg bereits begonnen. Dabei müssten wir wieder lernen, zur Freiheit Sorge zu tragen, gerade im Kleinen, auch im Basler Rathaus.
Wer dort fordert, sich aus dem Steuerwettbewerb zu «verabschieden» und die Verkehrsteilnehmer zu «erziehen», wer den Kanton noch mehr Land aufkaufen lassen und den Wohnungsmarkt weiter verzerren will, wer sich gegen das Anziehen der Schuldenbremse oder das regelmässige Überprüfen kantonaler Aufgaben auf ihre staatliche Notwendigkeit wehrt – der hat weder verstanden, warum es der Schweiz besser, noch, warum es anderen Ländern schlechter geht. Uns bedroht letztlich kein Muskelspiel aus Brüssel oder Washington, wie gerne behauptet, sondern das eigene Unvermögen, sich unserer Stärken zu besinnen. In Basel beginnt, was leuchten soll in der Schweiz – und weit darüber hinaus.