Unter der Flagge des Totenkopfs

Piraten stehen nicht nur als Playmobilfiguren bei uns im Kinderzimmer hoch im Kurs. Bundesbern diskutiert über die Operation Atalanta. Allenfalls dienen Schweizer Soldaten bald am Horn von Afrika im Kampf gegen dortige Seeräuber. Dem nicht genug, hat sich kürzlich die Piratenpartei Schweiz gegründet. Sie folgt damit einem aktuellen Seeräubertrend auch in Europa.

Löblich. Keine Somalier, sondern Mitglieder der hiesigen Internet-Community wollen damit Kurs gegen den Überwachungs- und Zensurstaat nehmen. Ein löbliches Ziel, nehmen die Auswüchse staatlicher Einmischung doch immer wieder bedenkliche Auswüchse an – nicht nur im virtuellen, sondern auch im realen Leben. Neustes Beispiel ist etwa der Plan des Bundesrats, für das Kinderhüten durch Verwandte eine Bewilligung vorauszusetzen. Dass sich die zuständige Kommission des Baselbieter Landrats jüngst gegen noch mehr Gesetze im Alkoholbereich gewehrt hat, ist die seltene Ausnahme.

Räuberisch. Darüber hinaus nimmt die Piratenpartei das Urheberrecht ins Visier und möchte „ein kulturelles Recht zum Gemeingebrauch“ durchboxen. Sie verkennt dabei, dass ohne das Recht und den Schutz des Eigentums nichts genutzt oder geraubt werden kann. Letzteres mag in der Musik nur den Komponisten oder Interpreten stören. Wenn die Piratenpartei auf ihrer Website aber tatsächlich behauptet, pharmazeutische Patente seien „verantwortlich für den Tod von Menschen durch Krankheiten“, wird sie bestenfalls nicht ernst genommen. Schlimmstenfalls verhindert sie die weitere Forschung und damit das Überleben ganzer Bevölkerungsschichten gerade in den Entwicklungsländern. Auch die politische Dialektik von „Demokratie“ und „Bürgerrechte“ vermag nicht darüber hinwegzutäuschen, dass sich die Bildschirmpiraten letztlich ganz wie ihre Vorbilder auf den Weltmeeren verhalten. Dem räuberischen Törn soll nichts in die digitale Fahrrinne gestellt werden. Was ich herunterladen will, soll ich auch herunterladen dürfen.

Verklärt. Mit dieser Einstellung segelt die Piratenpartei nicht gegen, sondern parallel zum erklärten Gegner Staat. Wohl nicht ganz zufällig führt sie eine Flagge im Logo. Sonst meist Symbol staatlicher Institutionen, kann die Flagge dafür verstanden werden, dass die absolute Verfassung über den freiwilligen Vertrag gestellt wird. Das Primat gilt der allgemeinverbindlichen Politik statt dem individuellen Austausch. Auch historisch ist die Verknüpfung zwischen Piraterie und Staatlichkeit eng. Blackbeard segelte im Namen der Krone, Francis Drake war mit „offiziellen“ Kaperbiefen unterwegs. Ob er als Raubritter erkannt oder als Glaubensritter verklärt wird, der Seeräuber eignet sich als Freiheitsheld schlecht. Es bleibt die Frage, warum andere Gewaltverbrecher kein so hohes Sozialprestige geniessen. Jugendliche Schläger und betrunkene Raser giesst Playmobil jedenfalls nicht in Plastik.

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